Die Geschichte der Buchhandlung Bender von 1775 bis 2010  
     
 

1775
In einer Zeit, da der Buchmarkt sich noch fast ausschließlich an ein gelehrtes Publikum wendet, eröffnet der neunundzwanzigjährige Heinrich Valentin Bender in Worms am Markt, "ohnweit der gelben Apothek", eine Buchhandlung mit Verlag (eine damals gängige Konstellation). Die wissenschaftliche Fachliteratur bestreitet in jenen Tagen 2/3 der gesamten Buchproduktion. Der Rest teilt sich auf in Erbauungsbücher und zu einem kleinen Teil in Bücher der "Schönen Literatur".

H.V. Benders Vater ist Kaufmann, sein Großvater Kurfürstlicher Chormeister. Daß Bildung und Wirtschaftsleben kein Gegensatzpaar sind, sondern sich gegenseitig bedingen, ist ihm bewußt. Als er mit der Buchhandlung vom kleinen Worms (4.000 Einwohner) nach Mannheim (20.000 Einwohner) umsiedeln will, muss er eine Bittschrift an seine Landesherren verfassen.

Statt der damals notwendigen Erlaubnis zur Niederlassung in Mannheim erhält Bender zunächst das kurfürstliche Privilegium exclusivum zur Herausgabe der ersten Wormser Zeitung "Reichstadt Wormisch priviligirtes Intelligenzblatt" und zur Einrichtung einer Leihbibliothek.

Am Markt zu Worms 1775

 
 
 

Reichsstadt Wormisch privilegiertes

Intelligenzblatt

 

Paradeplatz mit dem Geschäft C 1, 7

1776 - 1817
erhält er die Genehmigung des Kurfürsten Carl Theodor mit seinem Gewerbe nach Mannheim umzuziehen, nach C 1,7 "im Eck an dem Kaufhaus herüber". Mannheim erhält jetzt die erste Leihbibliothek.

Im Folgejahr 1777 tritt der Kurfürst Karl Theodor sein bayrisches Erbe an. Für die Stadt und die Region ist dies ein schwerer wirtschaftlicher Aderlaß, da gut ein Drittel der Einwohnerschaft dem Hof nach München folgt. Aus dem kulturellen Bereich wandern Oper, Orchester und Gemäldesammlung ab. Es bleiben Antikenkabinett und Schauspiel in dem 1782 Schillers "Räuber" uraufgeführt werden.

Bender versucht daraufhin, das Einzugsgebiet seiner Leihbibliothek auszuweiten: In die Pfalz, nach Speyer und Landau, und nach Heidelberg. Städte an Rhein und Neckar können nämlich rasch und billig per Schiff beliefert werden. In den folgenden Jahren entfaltet Bender zudem eine rege Verlagstätigkeit im Sach- und Fachbuchbereich (besonders theologische und historische Schriften).

1817, nachdem der rührige Unternehmensgründer die Buchhandlung durch das Zeitalter der Revolutionen, der Napoleonischen und Freiheitskriege geführt hat, übernimmt Sohn Jakob Reinhold Bender die Geschäfte und zieht nach D 4,6 (Fruchtmarkt) um. Die politischen und wirtschaftlichen Umbrüche verändern auch das Buchgewerbe. Jakob Bender läßt den Verlag ruhen und konzentriert sich auf die Buchhandlung.

 
 
 

1835 - 1845
wird das Geschäft an den Sohn Franz Bender übergeben, einen Bibliothekar und Buchbindermeister, der das Kerngeschäft erfolgreich um Kunst- und Antiquariatshandel erweitert. Das Geschäft befindet sich jetzt in O 2,6.
1845 verlegt er das Unternehmen wiederum nach N 3,7 und ist so erfolgreich, dass er 1859 das Haus als Eigentum erwerben kann.

Fruchtmarkt

 
 
 

O 4, 16 Kunststraße

 

  

Wilhelm Effelberger         Friedel Effelberger

1872 - 1917
1880 

Nach dem Tod von Friedrich Bender übernimmt seine Frau Anna Buchhandlung und Antiquariat in 0 3, 8. Die Firma "Franz Bender" wird in "A. Bender's Antiquariat und Buchhandlung" umgewandelt. Das Antiquariat wird unter der Assistenz des Prokuristen Ernst Albrecht weiter ausgebaut.

1885 übernimmt Albrecht nach Anna Benders Tod die Firma mit Aktiva und Pasiva, die er bis 1912 leiten wird. 1998 verlegt er das Geschäft in das Haus O 4,16.

Am l. Januar 1913 übernimmt Wilhelm Effelberger aus Wiesbaden Buchhandlung und Antiquariat und begründet damit die zweite Inhaberfamilienfolge. Effelberger, damals 32 und schon ein erfahrener Buchhändler, hat Angebote für Buchhandlungen in Jena, Darmstadt, Heidelberg und Mannheim vorliegen. Er entscheidet sich für Mannheim, das mit dem in Folge der Reichsgründung einsetzenden Wirtschaftboom eine aufstrebende Industriestadt mit reicher Bautätigkeit (Städt. Krankenanstalten, Herschelbad) geworden ist. Das kulturelle Umfeld mit Kunsthalle und Nationaltheater erscheint ihm als erste Wahl. Seine Arbeit wird 1915 unterbrochen, als er in die Wehrmacht eingezogen wird. Seine Ehefrau Frieda und die Prokuristin Elisabeth Bähr führen bis zum Ende des Krieges die Geschäfte fort. Tochter Friederike ("Friedel") tritt 1917 in die Firma ein.

 

 

 
 
 

1927 - 1946
1927

In der relativen Blütezeit der Weimarer Republik zieht das Geschäft nach O 5, 14, um sich zu vergrößern. Es ist das größte Ladengeschäft in der Geschichte des Unternehmens, mit sechs großen Schaufenstern. In der Beziehung zum Kunden fallen wortwörtlich die Schranken. Einem neuen Trend folgend schafft man den üblichen Tresenverkauf ab und gibt Kunden die Möglichkeit, sich selbst im Laden zu orientieren und an den Regalen zu bedienen.

 

1930

Hans Effelberger beginnt im schwierigsten Jahr des Buchhandels während der Weltwirtschaftskrise seine Arbeit in der elterlichen Buchhandlung. Hans ist stadtbekannt als Ruderer, Skikäufer und Gebirgswanderer. Er wird 1945 bei Charkow (Russland) fallen.

 

1932

tritt Joseph Heeg, Ehemann von Friederike Effelberger, in die Firma ein.

 

1. März 1945

Der Zweite Weltkrieg kostet sechs Mitarbeitern und Familienangehörigen das Leben.

Das Haus O 5,14 wird bei einem Luftangriff vollständig zerstört, nur ein Teil des wissenschaftlichen Antiquariats im Keller kann gerettet werden. Das gesamte Katalogmaterial, das bis zum Anfang des 17.Jahrhunderts zurückreicht, wird Opfer der Flammen oder gestohlen. Die Mannheimer Innenstadt ist zum größten Teil zerstört, nach Kriegsende liegen das öffentliche und wirtschaftliche Leben darnieder. Weil geeignete Räume und Ware fehlen, bleibt die Buchhandlung über ein Jahr geschlossen.

 

1. April 1946

In der Breiten Straße K 1, 6, neben dem provisorischen Nationaltheater in der Schauburg, wird die Buchhandlung Bender wiedereröffnet. Bücher bleiben bis zur Währungsreform 1948 eine knappe Ware und werden von Frederike Effelberger zum Teil in tagelangen Hamsterfahrten besorgt.

Erst jetzt vergeben die Besatzungsmächte die ersten Lizenzen für Buchverlage; wer jetzt publiziert, hat sowohl inhaltlich wie herstellerisch wenig Spielraum. Die kleinen Auflagen, die an die Buchhändler verteilt werden, finden ein lesehungriges Publikum: Es gibt wenig Zerstreuung, die nationalsozialistische Mono-Kultur hat ein geistiges Vakuum hinterlassen.
Trotz dieser Widrigkeiten gelingt es den Inhabern Friederike und Joseph Heeg aufgrund der Verbindungen aus der Vorkriegszeit, wieder ein reiches Sortiment zusammenzustellen und Bender erfolgreich fortzuführen.

O 5, 14

 

K 1, & 6

 
 
 

O 4, 2 im Jahre 1955

1955 - 1975
1955

Das Hauptgeschäft wird nach O 4, 2 verlegt, da die alten Räume zu klein geworden sind. K 1, 6 wird bis 1972 als Filiale weitergeführt.

 

1964

Hans-Peter Heeg und Ehefrau Inge treten in das Unternehmen ein. Beide haben in den späten 50ern in der Universitätsbuchhandlung Braun, Heidelberg, ihre Ausbildung erhalten.

Ein besonderer Schwerpunkt ihrer Arbeit gilt der Buchkunstabteilung. Hans-Peter Heeg wird Geschäftsführer.

 

1975

Inge Heeg wird ebenfalls Geschäftsführerin der Buchhandlung. Die Planken werden Fußgängerzone. Dielebhafte Flaniermeile setzt neue Akzente für Mannheim als Einkaufsmetropole der Kurpfalz

 
 
 

1978 - 1987
1978

Das viergeschossige neoklassizistische Gründerzeithaus 0 4, 2, in dem sich seit 1955 die Geschäftsräume von Bücher-Bender befinden, wird unter Denkmalschutz gestellt. Als eines der wenigen Bauwerke in der Innenstadt hatte es den letzten Krieg unzerstört überstanden. Das Hauptgeschäft wird nach O 4, 2 verlegt, da die alten Räume zu klein geworden sind. K 1, 6 wird bis 1972 als Filiale weitergeführt.

 

1984
Bücher-Bender betreut die Autorenlesungen in der Kunsthalle mit Büchertischen. In den folgenden 15 Jahren sind die namhaften deutschsprachigen Autoren in Mannheim zu Gast. Signierte Bücher der Autoren hält Bender auch später noch bereit.

1987
Das weltpolitische Schlagwort heißt Perestroika, Umbau. Für Bender ist es das Jahr der Totalmodernisierung der Geschäftsräume. Der Eingangsbereich wird kundenfreundlicher gestaltet, man tritt nun direkt in den Laden, die Aufteilung des Ladeninneren wird verändert. Der Verkauf geht während des zweieinhalb Monate dauernden Umbaus weiter.
Die Taschenbuchabteilung wird vergrößert und endlich kann auch die Bibliophilie und Buchkunst angemessen präsentiert werden. Zu den Verkaufserfolgen der kommenden Jahre gehören neben dem Meisterwerken der Buchmalerei (handvergoldete Miniaturen), die Hundertwasser-Bibel, Faksimiles wie die Wenzelbibel, der Portolan-Atlas, Handschriften der Biblioteca Vaticana und das Evangeliar Heinrichs des Löwen. Die bibliophilen Schätze umfassen sowohl Handpressendrucke wir Großprojekte (Hundertwasser-, und Heller-Brockhaus-Enzyklopädie).

O 4, 2 im Jahre 1987

 

 
 
 

Bücher Bender im Jahre 2000

1996 - 2001
1996
Sabine Reinecke (geb. Heeg) tritt nach abgeschlossener Buchhändlerausbildung und Abschluß ihres Studiums (M.A. in Germanistik und Kunstgeschichte) in die Buchhandlung ein.

Auf den Kapuzinerplanken findet der l. Mannheimer Büchersommer statt, auf dem sich der Buchhandel und Kulturinstitutionen der Stadt präsentieren.

 

1999
Nach abgeschlossener Buchhändlerausbildung und Studium (M.A. in Germanistik, Anglistik und Kommunikations- und Medienwissenschaft) tritt Stefan Heeg in die Buchhandlung ein.


2000
Im September feiert die Buchhandlung mit einem Festvortrag des Verlegers Dr. Siegfried Unseld über den Suhrkamp Verlag ihr 225jähriges Jubiläum und gehört damit zu den 7 ältesten Unternehmen in Mannheim und den 30 ältesten Buchhandlungen in Deutschland. Schwerpunkte des Sortiments sind heute neben Kunst und Buchkunst die Reiseliteratur, Taschenbuch, Kinder- und Jugendbuch und selbstverständlich die Belletristik.

 

2001

Unter der Adresse „www.buecher-bender.de" wird eine „Filiale" im Internet eröffnet. Wer es wünscht, kann nun bequem von zu Hause und rund um die Uhr unter ca. einer Million deutscher und englischsprachiger Titel auswählen und bei Bender bestellen.

 

Oktober 2001

Im Mensagebäude der Universität Mannheim wird ein Uni-Laden für Semesterliteratur eröffnet.